Interview

«Stadt Zug: eine Weltstadt, aber auf kleinster Fläche»

Die Entwicklung der Stadt Zug muss umsichtig geplant und gut koordiniert sein. Ein zentraler Puzzlestein ist die Metalli.
Werner Schaeppi
24.6.2022
Lesezeit: 5 Min
Harald Klein: Der Stadtplaner von Zug arbeitet, um den grösseren Zusammenhang im Auge zu behalten, bevorzugt mit dem massstabsgetreuen Modell der Stadt Zug. Bild: Christoph Kaminski
Harald Klein, wenn du jetzt an den «Lebensraum Metalli» denkst: Wo siehst du die besondere Herausforderung bei dessen Entwicklung?

Ich sehe da vor allem eine inhaltliche Herausforderung; die städtebauliche, architektonische Aufgabe ist daran gemessen eher sekundär. Die Stadt Zug ist in gewisser Hinsicht in wenigen Jahrzehnten eine «Weltstadt» geworden – mit hoher Dichte, aber auf kleinster Fläche. Vor diesem Hintergrund ist es für ein Gebiet wie die Metalli besonders wichtig, ein Stück seiner Identität zu behalten. Heute gehören dazu vielleicht die markante Architektur mit den langen Arkaden, der Einkaufspassage, dem Glasdach. Diese Qualitäten gilt es, sinngemäss weiterzuentwickeln und in einen neuen Zeitgeist zu übersetzen.

In welche Richtung soll diese Entwicklung gehen?

Heute ist das Gebiet Metalli im öffentlichen Bewusstsein vor allem als Zentrum des Detailhandels verankert, die Büros und Wohnungen prägen die Wahrnehmung weniger. Im nächsten Schritt der Entwicklung wird sich aber die Dichte in diesem Kerngebiet der Stadt noch einmal deutlich erhöhen. Das führt zu mehr Leben städtischer Prägung. Es wird vermehrt auch abendliche Nutzungen geben, mehr Fussgänger, mehr Velos, während die Zahl der Parkplätze dagegen bewusst auf dem heutigen Stand verbleibt.

Du warst ja persönlich schon an der Entwicklung der Stadt interessiert, als die heutige Metalli erst im Entstehen war. War die heutige Bedeutung des Gebiets damals absehbar?

In gewissem Sinne durchaus. Ich war übrigens damals ein Gegner der Bebauung. Ein besonders kritischer Punkt war für mich die Frage der Wegverbindungen zu den umliegenden Wohnquartieren und zum Bahnhof – also genau das, was wir mit dem jetzigen Entwicklungsschritt optimieren. Der Detailhandel wurde stark aus der Altstadt herausgenommen. Das war den Leuten damals bei der Abstimmung wohl nicht so bewusst. Aus heutiger Sicht ist klar, dass das von den Wegverbindungen und Gebäudestrukturen her nicht mehr funktionieren würde. Man müsste, wie das anderorts geschieht, die alten Häuser auskernen, um sie zu modernen Kaufhäusern zu machen – als eine Art «Potemkinsches Dorf». Das will aber sicher niemand. Ich denke, im Nachhinein hat es sich als echte Qualität erwiesen, dass wir die Altstadt in der heutigen Form und insbesondere mit den alten baulichen Strukturen erhalten konnten.

Wie beurteilst du denn die heutige Metalli?

Nun, es ist gelungen, ein Stück Stadt zu bauen. Die Einkaufs-Allee saugt zwar Leben von den Strassen ab, aber schon heute ist eine recht gute Durchlässigkeit gewährleistet. Das ist sicher ein Beitrag für diese Stadt. Mit der neuen Gestaltung werden die jetzigen «Nebeneingänge» aufgewertet und künftig eine grössere Bedeutung erlangen.

Wie werden sich die Anforderungen an diesen speziellen Ort in den nächsten 20 Jahren verändern?

Die Stadt Zug wird wohl von 30 000 Einwohnern auf 45 000 Einwohner anwachsen. Mit der Realisierung des Zimmerbergtunnels im Jahr 2037 wird der benachbarte Bahnhof ein doppelt so hohes Passagieraufkommen umwälzen wie heute. Man gelangt dann in 16 bis 18 Minuten von und nach Zürich. Dadurch werden auch im Lebensraum Metalli deutlich mehr Leute, Fussgänger, Velofahrer verkehren, die Plätze werden am Abend belebter sein. Das Zentrum von Zug wird grossstädtischer, wenn man so sagen will. Auf diesen Zeitpunkt hin soll im nördlichen Bereich des Bahnhofs die neue Unterführung Guthirt, eine circa acht Meter breite Fussgänger- und Velopassage, gebaut werden, was die Vernetzung der Quartiere noch zusätzlich fördert.

Welche Aufgaben fallen dem Raum Metalli künftig im Rahmen der städtischen Entwicklung zu?

Während viele heute gefühlsmässig die Mitte der Stadt noch irgendwo zwischen Bundesplatz und Casino verorten, wird der betreffende Stadtteil in unserem Bewusstsein eher zum «klassischen Zentrum» mutieren, das Gebiet um den Bahnhof mit der Metalli und den Quartieren nördlich davon dagegen zu einem «Zentrum urbanen Lebens». Über alles betrachtet, entstehen in der Stadt unterschiedliche Subkulturen, jede mit ihren spezifischen Vorteilen und Qualitäten. Das Gleiche gilt auch für das LG-Areal, den Tech­Cluster V-Zug usw. Ebenfalls ein wichtiger Aspekt bei der Aufgabenstellung für den Lebensraum Metalli ist die Klimadiskussion. Es wird zunehmend wärmer in den Sommermonaten: Die Metalli soll mit begrünten Dächern und der Gestaltung der Aussenräume ein angenehmes Stadtklima unterstützen.

Worauf muss man bei der Entwicklung des Lebensraums Metalli besonders achten, was könnte man falsch machen?

Durch die neue Zäsur in der Fassade entlang der Baarerstrasse entsteht im Zusammenspiel mit der Freifläche auf der gegenüberliegenden Strassenseite ein grosser Bahnhofplatz. Derartige «neue Räume» sind eine klare Aufwertung. Aber das ist natürlich auch ein starker Eingriff in die heutigen markanten Elemente der Metalli. Die prägende Architektur der heutigen Gebäude mit der langen Galerie entlang der Baarerstrasse, der glasgedeckten Passage und Halle − das alles gehört so zu Zug. Es wird eine zentrale Aufgabe des anstehenden Projektwettbewerbs sein, zu klären, wie viel man verändern oder durch andere gute Elemente ersetzen kann und wie viel man erhalten muss, damit das «Metalli-Feeling» noch spürbar ist. Da braucht es ein sensibles Austarieren und ich bin sehr gespannt auf die Lösungsansätze im Projektwettbewerb.

«Wir wollen die verschiedenen Entwicklungsprojekte in der Stadt funktional vernetzen und ein passendes Ganzes schaffen.»
Wo siehst du die besondere Herausforderung der Stadtplanung für die kommende Entwicklung?

Unsere Aufgabe ist die übergeordnete Betrachtung: Wo soll das anstehende Wachstum stattfinden? Wo will man verdichten? Was soll erhalten werden? Wo sind Hochhäuser sinnvoll? Ich denke, wir sind da auf gutem Weg. Nur wenige Gemeinden haben das so klar festgelegt wie Zug. Die Verortung ist gut abgestimmt, auch hinsichtlich des Verkehrsflusses, der Parkplätze und so weiter. Auf der technisch-planerischen Seite ist das gut durchstrukturiert. Ein Manko war bisher eher, dass man die einzelnen Arealentwicklungen städtebaulich und architektonisch tendenziell isoliert betrachtet hat. Aktuell geht es vor allem um die inhaltliche Gesamtgestaltung. Wir wollen die verschiedenen Entwicklungsprojekte in der Stadt Zug funktional vernetzen, ein passendes Ganzes schaffen. Deshalb arbeiten wir heute bevorzugt im Stadtmodell, damit man immer auch den grösseren Zusammenhang im Auge behält.

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